DIE HERAUSFORDERUNG DER INTEGRATION James D. Wolfensohn Priisident Die Weltbankgruppe Rede vor dem Delegiertenausschuf Hongkong, China 23. September 1997 DIE HERAUSFORDERUNG DER INTEGRATION James D. Wolfensohn Prdsident Die Weltbankgruppe Rede vor dem Delegiertenausschug Hongkong, China 23. September 1997 ~.- I- * ~w A *; f1 A . I s ist mir immer eine besondere Freude, Sie zur jahreskonferenz der Weltbankgruppe und des Internationalen Wahrungsfonds (IWF) begrll?en zu durfen. Es ist mir ferner ein groges Vergnuigen in Hongkong zu sein. Diese pulsierende Metropole, die ich nun seit vierzig Jahren regelmadig besuche, verkorpert die Offenheit, Dynamik und den Optimismus grofler Teile des heutigen Asiens. Dasselbe gilt fur unser Zusammenkommen hier in diesem groBartigen Konferenzzentrum, wo alles auf das Vollkommenste vorbereitet wurde. An unsere Gastgeber, die chinesische Regierung und die Verwaltung hier in Hongkong, mochte ich an dieser Stelle einen besonderen Dank richten. Eine grdf?ere Gastfreundlichkeit, Grolziugigkeit und Tiuchtigkeit kann man sich nicht wuinschen. Wir wiinschen Ihnen weiterhin viel Erfolg. Chinas Erfolg der vergangenen Jahre ist spektakular. Noch vor weniger als einer Generation, erkampften sich acht von zehn Chinesen ihre Existenz, indem sie fuir ein Einkommen von weniger als einem US-$ den Boden bestellten. Einer von drei Erwachsenen konnte weder lesen noch schreiben. Seither sind 200 Millionen Menschen aus ihrer Armut befreit worden, und die Zahl der Analphabeten ist auf einen von zehn Erwachsenen gesunken. China ist unser grdilter Kreditnehmer, einer unserer wichtigsten Anteilseigner sowie das Zuhause von uiber einem Viertel unserer Klienten, und zu meiner Freude festigt sich unsere Partnerschaft zunehmend. Heute ist es das dritte Mal, daf ich zu Ihnen als Prasident der Weltbank spreche, und zum dritten Mal habe ich die Gelegenheit, meinem Freund, Michel Camdessus, meinen tief- sten Dank auszusprechen. Die Zusammenarbeit mit ihm ist mir wahrend der vergangenen zweieinhalb Jahre unersetzlich geworden. Sie ist heute enger als je zuvor, und ich profitiere weiterhin von seiner Erfahrung und Urteilskraft. 2 Von Anbeginn meiner Amtszeit, war es immer eines meiner Hauptanliegen, den Puls der Entwicklungshilfe selbst zu spiuren. Ich habe nun an die sechzig Lander besucht. Dabei bin ich mit Regierungen, Parlamentariern und dem Privatsektor in direkten Kontakt gekommen. Ich habe mit nationalen und internationalen Nicht-Regierungs-Organisationen (NRO) gesprochen und dabei die verschiedensten Themen diskutiert, von der Frauenfrage und Umweltproblematik bis ulber Fragen, die den Gesundheitsbereich und den Einflui3 von makrookonomischen Reformen betreffen. Wohin meine Reisen mich auch fuihren, immer wieder bin ich zutiefst beeindruckt von den Menschen, in deren Dienst wir stehen, von ihrer Kraft, ihrer Energie und ihrem Unternehmungsgeist, selbst unter den jammerlichsten Bedingungen. Von den Hunderttausenden von Kriegsbeschadigten, von den Millionen von Kindern, die ohne Familienanschlul3 verurteilt sind, auf der Strafge zu leben, von den Behinderten, die aus jeglicher Form einer sozialen Unterstuitzung ausgeschlossen sind. Von der Not der Armsten. Heute belauft sich die Zahl unserer Klienten auf 4,7 Milliarden Menschen in Pber 100 Landern. Drei Milliarden leben mit weniger als 2 US-$ pro Tag. Eine Milliarde dreihundert Millionen leben mit weniger als 1 US-$ pro Tag. Hundert Millionen leiden taglich Hunger, 150 Millionen haben keinen Zugang zu einer Schulausbildung. Doch ob sie in den Ebenen oder den Talern wohnen, ob sie in Slums oder in von der uibrigen Zivilisation abgeschnittenen Dorfern leben, ob sie Hindi, Swahili oder Usbekisch sprechen, eines haben sie alle gemeinsam: Sie wollen keine Mildtatigkeit. Sie wollen eine reale Chance. Sie wollen keine von aufen aufer- 3 legten Losungen. Sie wollen die Mbglichkeit, sich von innen heraus zu entwickeln. Sie wollen nicht meine oder Ihre Kultur. Sie wollen ihre eigene. Sie wollen eine Zukunft, die das Erbe ihrer eigenen Vergangenheit in sich tragt. Ich habe gelernt, daf? Menschen uiberall gleich sind, wo immer sie auch sind, hier im Saal und auf der ganzen Welt. Wir alle wollen das Beste fur unsere Kinder und unsere Familien. Wir alle wollen den Frieden sowie wirtschaftliche Sicherheit und das Recht auf korperliche Unversehrtheit. Wir alle wollen in einer Gemeinschaft leben, die uns unterstiitzt. Wir alle erheben Anspruch auf Wulrde. Dies wurde mir vor sechs Monaten lebhaft vor Augen geftihrt, als ich ein grof?es von der Weltbank unterstiitztes Projekt besuchte, das der Wasserversorgung und der Einrichtung von Sanitaranlagen in Brasiliens Armutsvierteln dient. Dieses Projekt, das sich mittlerweile selbst tragt, verbindet die Lokalbevolkerung, den Privatsektor und die Nicht-Regierungs- Organisationen. Mit meinem Gastgeber, dem Vize-Gouverneur des Bundesstaates Rio, bewegte ich mich von einer Notunterkunft zur nachsten und sprach mit den dort lebenden Frauen, die fur gewohnlich die Aufgabe hatten, Wasserkuibel vom Fuf?e des Berges bis hinauf in ihre Unterkuinfte, auf ihren Schultern zu tragen. Eine nach der anderen, zeigten sie mir stolz ihr flief?endes Wasser und betatigten die Wasserspiilung, und sie erzahlten mir, wie dieses Projekt ihr Leben verandert hat. Und als ich weiterging, kamen mehr und mehr Frauen auf mich zu und zeigten mir Zettel, auf denen monatliche Gebuihren in Hohe von einigen Realeni aufgefuihrt waren. Ich sah mir das Treiben eine Weile an und hdrte ihnen zu, bis der 4 Vize-Gouverneur das Wort an mich richtete und sagte: "Was sie dir zeigen, Jim, ist, dai3 zum ersten Mal in ihrem Leben ihr Name und ihre Adresse auf einem behordlichen Beleg abge- druckt sind. Zum ersten Mal wird ihre Existenz von offizieller Seite her anerkannt. Zum ersten Mal sind sie von der Gesellschaft miteinbezogen worden. Mit diesem Beleg konnen sie Kredit aufnehmen und Konsumgiuter kaufen, dieser Beleg gibt ihnen Anerkennung und Hoffnung." Und als ich den Berg wieder hinunterstieg, das Armutsviertel hinter mir lassend, da wurde mir bewult, was die eigentliche Herausforderung der Entwicklungspolitik ist - die der Integration. Menschen teilhaben zu lassen an einer Gesellschaft, von der sie nie ein Teil waren. Dies ist die Existenzberechtigung der Weltbankgruppe. Aus diesem Grund sind wir heute alle versammelt. Damit dies ftir alle Menschen Realitat wird. 5 DER STAND DER ENTWICKLUNG 1997 Wie weit sind wir im Jahre 1997 von unseren Zielen entfernt? In vieler Hinsicht befinden sich die Entwicklungslander in einer Zeit, die gentigend Anlaft zum Optimismnus gibt: Die Produktion ist im vergangenen Jahr um 5,6 Prozent gestiegen - die hdchste Rate seit zwanzig Jahren. Auslandische Direktinvestitionen uiberstiegen 100 Milliarden US-$ - sie liegen damit hoher als je zuvor. Private Kapitalinvestitionen verzeichnen eine Gesamtsumme von 245 Milliarden US-$ - sie liegen damit fuinf- mal hoher als Betrage fur die offizielle Entwicklungshilfe. Und Prognosen zufolge werden Entwicklungslander in den nach- sten zehn Jahren ein andauernd starkes Wachstum zu verzeich- nen haben. Soziale Indikatoren verbessern sich ebenfalls. Die allgemeine Lebenserwartung ist innerhalb der letzten vierzig Jahre starker angestiegen als in den vergangenen viertausend Jahren. Auch die Freiheit tragt ihre Frtichte. Heute wahlen annahernd zwei von insgesamt drei Landern ihre Politiker in freien Wahlen, und fuinf Milliarden Menschen leben in einer Marktwirtschaft, verglichen mit einer Milliarde vor zehn Jahren. Auch in den verschiedenen Regionen gibt es Erfolge zu ver- zeichnen: Reformprogramme in Osteitropa und Zen tralasiten machen weiterhin Fortschritte, und die Aussichten auf einen Beitritt in die Europaische Union fur mehrere dieser Lander sehen sehr vielversprechend aus. Im Afrika sOidlic/i der Sahara ist mit einer neuen Fuihrungsspitze und verbesserten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen realer Fortschritt zu beobachten. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist 1996 um 4,5 Prozent gestiegen, verglichen mit 2 Prozent vor noch zwei Jahren. Im Mittleren Osten und in Nordafrika bemtiht man sich, trotz politischer Probleme, regionalen Handel und Investitionen weiterhin voranzutreiben, die Wettbewerbsfahigkeit zu 6 verbessern und wirtschaftliche Betitigungsfelder auszuweiten. Die Staaten Lateinamerikas haben die Tequila-Krise uiberwun- den, wobei sie ihre fruiheren Gewinne, die von hohen Inflationsraten bedroht waren, in voller Hohe erhalten konnten. In Ostasien erwarten wir trotz jiingster Turbulenzen auf dem Finanzmarkt ein langfristiges Wachstum und eine deutliche Verringerung der Armut. Und in Siudasien, wo 35 Prozent der Armen aller Entwicklungslander leben, ist die Wachstumsrate in den vergangenen Jahren auf 6 Prozent gestiegen. All dies gibt genuigend Grund zum Feiern - aber es gibt auch viel zu beklagen. Sicher, das Glas ist halb voll, aber es ist auch halb leer. Zu viele Menschen kommen nicht in den Genufi der Friuchte des Erfolgs - * hier in Ostasien, wo sich trotz eines "Wirtschaftswunders" die Kluft zwischen den landlichen und stadtischen Gebieten und zwischen den Gehaltern von gelernten und ungelernten Arbeitskraften zunehmend vergrol3ert * in den Landern der ehemaligen Sowjetunion, wo angesichts politischer Turbulenzen im Anschlugl an den Ctbergang von einer Zentralverwaltungswirtschaft zu einer Marktwirtschaft, die Alten und Arbeitslosen verarmen * in Teilen Lateinamerikas, wo ungeloste Probleme in Hinblick auf Landbesitz, Kriminalitat, Gewalt und Drogenhandel, ungleiche Zugangsmdglichkeiten zu Erziehung, Ausbildung und der Gesundheitsversorgung sowie enorme Diskrepanzen im Pro-Kopf-Einkommen, einem Fortschritt im Wege stehen und die Stabilitat bedrohen * und in zahlreichen der armsten hinder der Welt, wo der all- gemeine Lebensstandard unterwandert wird von einer Bevolkerungswachstumsrate, die hoher liegt als die wirtschaftliche Wachstumsrate. 7 Die wahre Tragodie ist, dai3 das Glas fur zu viele beinahe leer ist. In der Tat befinden sich zu viele Menschen in einer Zeit, die wenig AnlaJ3 zum Optimismus gibt, wo gro1Se Disparitaten inner- halb des eigenen Landes und weit uber seine Grenzen hinaus nicht uberwunden werden k6nnen. In zu vielen Landern stehen den armsten 10 Prozent der Gesamtbevolkerung weniger als ein Prozent des Gesamteinkommens zur Verfiugung, wahrend die reichsten 10 Prozent mehr als die Halfte ihr Eigen nennen durfen. In zu vie- len Landern haben Madchen noch immer nur halb so viele Chancen wie Jungen, je eine Schulausbildung zu erhalten. In zu vielen Landern sind Kinder von Geburt an benachteiligt wegen Unterernahrung, unzureichender Gesundheitsversorgung oder weil ihnen ein begrenzter oder gar kein Zugang zu Kinderforderungsprogrammen offensteht. Und in zu vielen Landern sind ethnische Minderheiten der Diskriminierung aus- gesetzt und mussen in den Handen der ethnischen Mehrheit um ihr Leben furchten. Was wir heute in der Welt sehen, ist die Tragodie des Ausgeschlossenseins. 8 DIE HERAUSFORDERUNG DER ZUKUNFT Unser Ziel mul3 sein, diese Disparitaten innerhalb der einzelnen Lander und uber ihre Grenzen hinaus zu reduzieren. Mehr und mehr Menschen mussen am allgemeinen Wirtschaftsleben teilnehmen konnen, der faire Zugang zu den Vorteilen der wirtschaftlichen Entwicklung mull gefordert wer- den ohne Rucksicht auf nationale Herkunft, Rasse oder Geschlecht. Dies, die Herausforderung der Integration, ist die wesentliche Herausforderung an die Entwicklungspolitik unserer Zeit. Sie und ich und wir alle hier im Saal, die Privilegierten der sich entwickelnden und der industrialisierten Welt, konnen diese Herausforderung ignorieren. Wir konnen uns nur auf die Erfolge konzentrieren. Wir konnen mit etwas mehr Kriminalitat leben, ein paar mehr Kriegen, auch mit einer etwas hoheren Luftverschmutzung. Denn wir konnen uns von ganzen Teilen der Welt abschotten, deren Krise tagtagliche Wirklichkeit ist und somit fur uns andere weitgehend unsichtbar bleibt. Doch wir mussen erkennen, dal3 wir mit einer Zeitbombe leben, die in der Generation unserer Kinder explodieren wird, wenn wir versaumen, jetzt zu handeln. Wenn wir jetzt nicht zur Tat schreiten, werden die Ungleichheiten in dreiflig Jahren noch grbfler sein. Mit einem Bevolkerungswachstum von 80 Millionen Menschen pro Jahr, konnte sich die Zahl der Menschen, die taglich weniger als 2 US-$ verdient, anstatt von 3 dann auf 5 Milliarden belaufen. In dreillig Jahren wird sich die Qualitat unserer Umwelt ver- schlimmert haben. Anstelle von 4 Prozent tropischer Regenwalder, die seit Rio verlorengegangen sind, konnten es 24 Prozent sein. In dreilig Jahren konnte die Zahl der Konflikte hoher liegen. Bereits jetzt leben wir in einer Welt, die im letzten Jahr allein sechsundzwanzig Kriege und drei8ig Millionen Fluchtlinge 9 gesehen hat. Man muf3 nicht lange in Bosnien, im Gaza-Streifen oder in der Region um Afrikas Victoriasee gewesen sein, um zu wissen, dag wir ohne Hoffnung auf eine bessere Wirtschaft keinen Frieden erwirken konnen. Ohne Gerechtigkeit werden wir keine globale Stabilitat erwirken. Ohne ein besseres Verstandnis fuir eine gerechte soziale Gesetzgebung werden unsere Stadte nicht sicher und unsere Gesellschaften nicht sta- bil sein. Ohne integriert zu sein, werden zu viele dazu verurteilt sein, isoliert und bewaffnet ein Leben in standiger Angst zu fuhren. Ob man sich ihr von der sozialen, der wirtschaftlichen oder der moralischen Perspektive nahert, wir konnen es uns nicht leis- ten, diese Herausforderung zu ignorieren. Es gibt nicht zwei Welten, es gibt nur eine Welt. Wir atmen dieselbe Luft. Wir schadigen dieselbe Umwelt. Wir teilen dasselbe Finanzsystem. Wir haben dieselben Gesundheitsprobleme. AIDS ist kein Problem, das an Grenzen haltmacht. Drogen machen nicht an Grenzen halt. Auch Terrorismus, Krieg und Hunger machen nicht an Grenzen halt. Die derzeitige Wirtschaftsentwicklung fiihrt zu einer grundle- genden Veranderung der Beziehungen zwischen den reichen und armen Nationen. Im Verlauf der nachsten funfundzwanzig Jahre wird aller Wahrscheinlichkeit nach, Wachstum in China, Indonesien, Brasilien und RuB3land die Wirtschaftskrafte der Welt neu verteilen. Gleichzeitig verdoppelt sich der Anteil weltweiter Produktion in den sich entwicklenden und im Cbergang befindlichen Wirtschaftssystemen. Heute reprasen- tieren diese Linder 50 Prozent der Weltbevolkerung aber nur 8 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP). Ihr Anteil am Welthandel belauft sich auf ein Viertel dessen der Europaischen Union. Im Jahre 2020 konnte ihr Anteil am Welthandel um 50 Prozent mehr betragen als der Europas. 10 Wir teilen dieselbe Welt, und wir teilen dieselbe Herausforderung: Der Kampf gegen die Armut ist unser aller Kampf um Frieden, Sicherheit und allgemeines Wachstum. Wie sollen wir also weiterhin verfahren? Soviel wissen wir: Keinem Land war es bisher moglich, Armut zu verringern ohne anhaltendes Wachstum. Die LUnder, die die grol3ten Erfolge aufzuweisen haben - wovon viele sich hier in Ostasien befinden - haben stark in ihre eigene Bevolkerung investiert, haben gute wirtschaftliche Rahmenbedingungen geschaffen und dabei ihren landlichen Sektor nicht vernachlassigt. Die Ergebnisse waren tiberwaltigend: Groier Zufluf von Privatkapital, rapides Wachstum und ein signifikanter Ruickgang der Armut. Die Lehre fir andere LUnder ist eindeutig: Bilde deine Bevolkerung aus, sorge dich um ihre Gesundheit, gib ihr eine Stimme und uibe Gerechtigkeit, gib ihr funktionsfahige Finanzsysteme und solide wirtschaftliche Grundsatze, und sie wird darauf reagieren, sie wird sparen sowie in- und auslan- dische Investitionen mobilisieren, die dann den Lebensstandard anheben und neue Entwicklung stimulieren. Aber noch eine andere Lehre kann aus den jangsten Entwicklungen gezogen werden. In den vergangenen Monaten forderten Finanzmarkte einen gr6geren Informationszugang. Wir konnten beobachten, wie sie sich ein vorschnelles Urteil bildeten hinsichtlich QualitAt und langfristiger Nachhaltigkeit von Regierungsprogrammen. Wir haben gesehen, wie ohne solide Struktur und CTberwachung ein Finanzsystem zerfallt, wobei der arme Bevblkerungsteil dies am deutlichsten zu spiuren bekommt. Wir haben gesehen, wie Korruption in der Dunkelheit gedeiht, wie dies Wachstum und soziale Gerechtigkeit verhindert und wie dies die Voraussetzungen schafft fuir soziale und politische Instabilitat. Wir mtissen den Zusammenhang zwischen solider wirtschaftlicher Leistung und transparenteren Formen der poli- tischen Fiihrung erkennen. Entscheidungen, die die Offentlichkeit betreffen, muissen unverziuglich zur offentlichen Diskussion gestellt werden, ohne Riucksicht auf bestehende politische Systeme. Nicht nur um die MArkte weltweit zufriedenzustellen, sondern um einen breiten offentlichen Konsens zu schaffen, ohne den selbst die besterprobtesten Wirtschaftsstrategien versagen. 12 DIE ENTWICKLUNGSGEMEINSCHAFT W ie konnen wir nun gemeinsam in der WEntwicklungszusammenarbeit die vor uns liegende gewaltige Aufgabe moglichst effektiv Iisen? Es ist klar, dal das Ausmag der Herausforderung fur eine einzelne Institution einfach nicht zu bewaltigen ist. Auch wer- den wir nicht erfolgreich sein, wenn wir verschiedene Ziele verfolgen oder alten Rivalititen im Wege stehen, die bereits der Vergangenheit angehoren sollten. Die verbalen Attacken zwischen der Zivilbevolkerung und den multilateralen Entwicklungsinstitutionen miissen aufhdren. Gefragt ist kon- struktive Kritik. Wir mtissen erkennen, dalB wir ein gemein- sames Ziel haben und dali wir voneinander abhdngig sind. Partnerschaften, davon bin ich fest tiberzeugt, miussen das Fundament unserer Bemuihungen sein. Und sie miissen auf vier Pfeilern stehen. Zunachst mugi gelten, dai3 die Regierungen und die Bevolkerung der Entwicklungslander das Steuer selbst in der Hand haben. Sie legen die Ziele fest, und sie bestimmen ihre Fahrtrichtung. Entwicklung braucht einen dauerhaften politis- chen Willen, dieser kann nicht von aulien auferlegt werden. Er katnn nicht von seiten des Geldgebers durchgesetzt werden. Wir als Entwicklungsgemeinschaft haben die Aufgabe, den Landern zu helfen - und zwar indem wir die notigen Gelder beschaffen, ja; noch wichtiger jedoch ist, dali wir Wissen und Erfahrungen vermitteln, so dafi sie den Herausforderungen, die sich ihnen stellen, gewachsen sind. Wir mtissen lernen, wann es an der Zeit ist, das Feld zu riu- men. Wir muissen akzeptieren, dafi von uns geforderte Projekte nicht Geberprojekte oder Weltbankprojekte sind - es sind Costa Ricanische Projekte, die Projekte Bangladeshs, chinesische 13 Projekte. Und, so lehrt es die Erfahrung, Entwicklungsprojekte und Entwicklungsprogramme muissen vollig der Kontrolle lokaler Interessengruppen unterstehen, wenn sie erfolgreich sein sollen. Und wir muissen diesen Gruppen aufmerksam zuhbren. Zweitens muissen unsere Partnerschaften umfassend sein, indem sie bilaterale und multilaterale Organisationen mitein- beziehen, wie die Vereinten Nationen, die Europaische Union, regionale Organisationen, die Welthandelsorganisation (WTO), Gewerkschaftsorganisationen, Nicht-Regierungs- Organisationen (NRO), Stiftungen und den Privatsektor. Indem alle ihre Krafte zur Verfulgung stellen, konnen wir vereint unseren Entwicklungsbemuihungen wirkliche Synergie verlei- hen. Drittens sollten wir allen Landern, die Hilfe ben6tigen, unsere Hilfe anbieten. Aber wir muissen eine Auswahl treffen, wenn es darum geht, wie unsere Ressourcen gezielt genutzt werden sollen. Denn Tatsache bleibt: Mehr Menschen konnen aus der Armut befreit werden, wenn wir zunachst den Landern helfen, die gute Rahmenbedingungen geschaffen haben. Wir duirfen bei der Verteilung der Gelder die politische Ausrichtung des Entwicklungslandes nicht auger acht lassen. Jiingst durchge- fiuhrte Untersuchungen bestatigen, was wir bereits ahnten: Entwicklungshilfe hat dort groi3ere Aussichten auf Wachstum und verbesserte soziale Lebensbedingungen, wo positive poli- tische Bedingungen herrschen. In Landern, wo schlechte poli- tische Bedingungen herrschen, kann Entwicklungshilfe den Fortschritt sogar verzogern, indem sie die Notwendigkeit fur eine Veranderung verschleiert und das Land so in Abhangigkeit gerat. Lassen Sie mich diesen Punkt noch einmal verdeutlichen: Ich versuche nicht, mich fuir eine darwinistische Entwicklungstheorie stark zu machen, derzufolge wir das, was 14 nicht pagt links liegenzulassen. Genau das Gegenteil ist der Fall. Unser Ziel ist es, das was paRt zu fordern, und das was nicht paRt, passend zu machen. Auch hier geht es um die Integration. In Afrika, zum Beispiel, muissen wir die neue Fiihrergeneration bei den schwierigen Entscheidungen, die sie zu treffen haben, uneingeschrankt unterstuitzen. Es besteht eine grole Nachfrage nach Geldern , und es besteht zunehmend die Kapazitat, Gelder gewinnbringend einzusetzen. Wir muissen der neuen afrikanischen Generation zur Seite stehen. Dies ist in wirtschaftlicher und moralischer Hinsicht ein Mui. Wo finanzielle Unterstuitzung nicht den erhofften Erfolg her- beifuihren kann, sei es aus Griinden schlechter politischer Vorbedingungen, Korruption oder einer hinfalligen Regierung, dort ist es unsere Aufgabe, nach neuen Wegen zu suchen, um diesen Menschen zu helfen. Nicht die technische Hilfe der ver- gangenen Jahre, die sich zu sehr den Meinungen auslandischer Consultants anschloR, sondern indem wir Hilfe zur Selbsthilfe leisten: Sie miussen die Fahigkeit entwickeln, ihre eigenen Plane zu erstellen und diese in die Tat umzusetzen. SchlieBlich sei gesagt, dal wir alle in der Entwicklungs- zusammenarbeit unsere Strategien erneut hinterfragen miussen. Wir miussen einen groRen Schritt nach vorne wagen, der es uns erlaubt, die Armut am Kragen zu packen. Wir miussen anfan- gen, in grdfleren Zusammenhangen zu denken, weniger an einzelne finanzierte Projekte, sondern an staatlich integrierte LAnderstrategien und daruiber hinaus an Regionalstrategien sowie allgemeine Reformen. Wir brauchen Modelle, die wiederholbar sind und auf beson- dere lokale Umstande zugeschnitten werden. Nicht nur ein landwirtschaftliches Projekt hier oder eine Reihe von Schulen dort. Was wir brauchen sind staatliche Strategien, die den 15 Oaxacas und den Chiapas dieser Welt ebenso helfen wie den Mexiko Cities, wenn es um Landreform sowie Erziehung und Ausbildung geht. Wenn wir Veranderung wollen, dann mussen wir sowohl auf die Bereiche der Infrastruktur als auch auf Bereiche wie Bildungs- und Sozialwesen, landliche Entwicklung und Umweltentwicklung sowie der Entwicklung des Finanz- und Privatsektors, ein besonderes Gewicht legen. Und wieder mug an dieser Stelle daran erinnert werden, daf die Ausbildung von Madchen und die Forderung der Chancengleichheit fur Frauen - in den Bereichen Gesundheitsversorgung und Ausbildung sowie ihrer Beschaftigungs- und Verdienstmoglichkeiten - fur eine ausge- wogene Entwicklungspolitik von groiter Bedeutung sind. In unserem gemeinsamen Bemuhen um die Integration, mussen neue grundlegende Richtlinien fur die Entwicklungsgemeinschaft definiert werden. Wir mussen an Ergebnisse denken - daran, wie wir moglichst viel Entwicklung fur moglichst wenig Ressourcen erhalten. Wir muissen an Nachhaltigkeit denken - daran, wie eine nachhaltige Entwicklung innerhalb eines umweltgerechten Rahmens gewahrleistet werden kann. Wir mussen an Gerechtigkeit denken - daran, wie wir die Nicht-Privilegierten mitein- beziehen konnen. Wir durfen uns nicht auf die einfachen Projekte konzentrieren, sondern wir mussen an die schwierigen denken - im Nordosten Brasiliens, in der indischen Ganges- Ebene und der Sudspitze Afrikas. Sicher, Projekte dort tragen ein groMeres Risiko. Aber die Erfolge werden wir zweifellos deutlich spuren, denn mehr Menschen konnen miteinbezogen werden und in den Genus3 der Entwicklungspolitik kommen - und damit steht mehr Menschen die Chance zu einem besseren Leben offen. 16 DIE ANTWORT DER WELTBANKGRUPPE W ie reagiert die Weltbankgruppe auf die Herausforderung Wder Integration? Im vergangenen Jahr habe ich darauf hingewiesen, daB die Gruppe sich verandern muf, wenn sie effektiver sein will. Sie mulg den realen Bedtirfnissen unserer Klienten niherkommen, sich auf Qualitat konzentrieren und Verantwortlichkeit demon- strieren, wenn es um die Resultate unserer Arbeit geht. In diesem Jahr kann ich Ihnen sagen, daB3 genau das passiert ist. Nicht nur verindert sich die Bank, sondern die Notwendigkeit einer Veranderung ist voll und ganz akzeptiert worden. Ich weil3 - und Sie wissen -, dafB die Weltbank vor langerer Zeit schon einmal den Versuch unternommen hatte, sich von innen heraus zu erneuern. Aber noch nie zuvor gab es diesen Konsens und dieses Engagement. Heute bauen wir auf den Zielsetzungen auf, die mein Vorganger, Lew Preston, formuliert hat. Sein vorzeitiger Tod hat es ihm leider versagt, seine Plane zu verwirklichen. Zu Beginn dieses Jahres, haben wir ein Aktionsprogramm ges- tartet - das "Strategic-Compact"- Programm - in dem wir es uns zum Ziel gesetzt haben, unsere Wertvorstellungen und unser Engagement im Bereich der Entwicklungshilfe zu erneuern und die Effektivitat der Bank zu verbessern. Ich bin der festen UTberzeugung, dafi dieses Programm in die Geschichte der Bank eingehen wird. Nicht weil fiber jeden Paragraphen in diesem Dokument Ubereinstimmung herrscht, sondern weil Mitarbeiter, Management und Anteilseigner - mit der hervorragenden Unterstiitzung unserer Exekutivdirektoren - einer Meinung sind, wenn es um die zukfinftige Richtung dieser Institution geht. 17 Wenn wir auch noch einen langen Weg vor uns haben und wenn Veranderung auch schmerzt - und einige diesen Schmerz zweifellos sehr deutlich spuiren - ein erster Schritt ist getan. Ich bin davon iuberzeugt, dat wir diesmal erfolgreich sein wer- den. Wir werden unsere Ziele erreichen dank unserer hochqual- ifizierten und engagierten Mitarbeiter. Ich glaube nicht, datA ein Entwicklungsteam existiert, das besser oder mit mehr Erfahrung die Armut bekampft. Aber das Programm bezieht sich nicht in erster Linie auf unsere Organisation und ihren inneren Wandel, es bezieht sich vor allem auf unsere Klienten und auf die Frage, wie wir ihnen verbesserte Dienstleistungen anbieten konnen. Wir haben, um genauer zu sein, erhebliche MafAnahmen in Richtung Dezentralisierung ergriffen. Bis zum Ende dieses Monats wer- den achtzehn von insgesamt achtundvierzig Landerdirektoren mit Entscheidungsgewalt entsandt sein, und sie nehmen ihren Sitz in dem Land ein, fur das sie zustaindig sind, verglichen mit nur drei Direktoren im vergangenen Jahr. Wir beantworten Anfragen jetzt durchschnittlich zulgiger und wir haben neue Produkte eingefuhrt, so zum Beispiel den Einwahrungskredit und Darlehen, die fur innovative Projekte bestimmt sind mit einem Maximalbetrag von 5 Millionen US-$. In Zusammenarbeit mit Michel Camdessus und unseren Kollegen vom Internationalen Wahrungsfond (IWF) - sowie zahlreichen anderen Partnern - haben wir ein Finanzpaket im Wert von ungefahr 5 Milliarden US-$ geschnulrt, das im Rahmen der HIPC-Initiative dem Schuldenabbau von ingesamt sechs hochverschuldeten armen Landern dienen soll. Nicht schlecht fulr ein Programm, das vor achtzehn Monaten nicht einmal einen Namen hatte. Und wir befinden uns bereits in der 18 nachsten Planungsphase, damit auch andere HIPC-Linder aus dieser neuen Initiative Nutzen ziehen k6nnen. Die neue Bank hat sich der Qualitat verschrieben. Wir haben Landermanagement-Teams neu zusammengestellt - mit 150 Managern, die im Verlauf der vergangenen sechs Monate ernannt wurden, und fuihren fur alle Mitarbeiter anspruchsvolle Lehrgange und Trainingsprogramme durch. Auch die Internationale Finanz-Corporation (IFC) hat im Management grdf9ere Veranderungen vorgenommen und dezentralisiert zunehmend. Wir haben ferner die Qualitat unseres Portfolios verbessert, das Ergebnis war ein Auszahlungsrekord fuir das vergangene Jahr in Hbhe von 20 Milliarden US-$.. Die Qualitat unserer Arbeit insgesamt profitiert von den Fortschritten in Hinblick auf unser Ziel, eine Wissensbank zu werden. Wir haben Netzwerke aufgebaut, die es uns ermdglichen, fiber Landesgrenzen und fiber die Grenzen grofler Entwicklungsbereiche hinaus, Wissen auszutauschen. Unser Institut fulr Wirtschaftliche Entwicklung (EDI) spielt hier eine tragende Rolle. Im vergangenen Juni vereinte das EDI in Toronto, Kanada, in Zusammenarbeit mit der kanadischen Regierung und vielen anderen Sponsoren, Teilnehmer aus ulber 100 Landern in der ersten Konferenz ulber Globales Wissen ("Global Knowledge Conference"). Es ist mein Ziel, dafi die Weltbank wichtigste Anlaufsstelle fulr all diejenigen wird, die Informationen zum Thema Entwicklung benotigen. Bis zum Jahr 2000 wird uns ein glob- ales Kommunikationssystem zur Verfulgung stehen, mit voll- standiger Computervernetzung, der Moglichkeit zur Videokonferenz und interaktiven Klassenraumen, so dalg 19 unseren Klienten weltweit uneingeschrankter Zugang zu unser- er Datenbank offensteht - dies ist das Ende der geografischen Struktur wie wir sie bei der Bank bisher kannten. Die Weltbankgruppe will Rechenschaft ablegen: Wir haben ein Unternehmenszeugnis ("corporative scorecard") entwickelt, um unsere Leistungen zu messen. Wir achten strengstens auf die Einhaltung von Bestimmungen und wir arbeiten weiterhin an einer Verbesserung des Pruifungsprozesses, um ihn transparenter und effektiver zu gestalten. Wir sind ferner dabei, neue Richtlinien fur die Personalabteilung zu entwerfen, wobei ausdruicklich die Leistung der Mitarbeiter mit ihrer Bezahlung und Beforderung in Einklang gebracht werden soll. Wir betonen Rechenschaft auch im Dialog mit unseren Klienten. Im vergangenen Jahr habe ich mehrfach hervorge- hoben, wie wichtig es ist, Auswuichse der Korruption zu bekampfen. Seither haben wir neue Richtlinien fuir unsere Mitarbeiter erarbeitet, wie sie mit Korruption umzugehen haben - und um sicherzustellen, daf? unsere eigenen Vorgehensweisen den hochsten Anforderungen an Transparenz und Moral entsprechen. Wir haben auch begonnen, mit den ersten sechs unserer Mitgliedslander ein Anti-Korruptions- Programm zu entwickeln. Mein Grundsatz bei Korruption heil3t: Wenn eine Regierung nicht zum Handeln gewillt ist, obwohl Korruption die Entwicklung des Landes gefahrdet, dann mug die Bankgruppe ihre Unterstuitzung drastisch kiirzen. Korruption ist exklusiv, das heilit, sie schliefit aus: Sie fordert die Interessen einiger weniger zum Nachteil von vielen. Wir muissen gegen sie ankampfen, wo immer wir ihr begegnen. 20 Das Wesentliche ist, wollen wir der Herausforderung der Integration erfolgreich entgegentreten, dal3 wir uns nicht nur vergewissern, dafi wir das Richtige machen, sondern auch, dali wir es richtig machen. Weiter oben bin ich auf die strategischen Punkte eingegangen, die besonders wichtig sind, wenn wir Veranderung herbeifuihren wollen. Lassen Sie mich an dieser Stelle etwas genauer ausfiihren, was die Weltbank im einzelnen macht. Bildungs- und Sozialwesen. Wir integrieren Themen aus dem Sozialbereich - der auch die wichtige Rolle der einheimischen Kultur umfai3t - in unsere Landerhilfestrategien, so dali wir eth- nische Minoritaten erreichen konnen sowie auch Haushalte, die von Frauen und anderen Minderheiten gefiihrt werden. Wir beteiligen uns an Programmen, die von kommunalen Gruppen geplant werden und die keinen Aufschub dulden, wie zum Beispiel das EDUCO Programm zum Abbau des Analphabetentums in El Salvador und das "District-Education"- Programm in Indien. Diese Programme werden von anderen Landern imitiert. Wir vergroi3ern unsere Unterstiitzung bei der Kapazit5tsbildung - besonders das umfassende Programm, das im vergangenen Jahr von den afrikanischen Landern initiiert wurde. Nachhaltige Entwicklung. In den lindlichen Sektoren, in denen mehr als 70 Prozent der Armen der Welt angesiedelt sind, haben wir unsere Strategien neu iiberdacht. Kredit- und Darlehensgewahrungen haben nach vielen Jahren des Ruickgangs wieder zugenommen, wodurch innovative Programme unterstiitzt werden, wie zum Beispiel das "markt- freundliche" Vorgehen bei der brasilianischen Landreform. Ferner unterstiitzen wir die Bemuihungen unserer Klienten, den sogenannten "braunen" Problematiken entgegenzutreten - 21 sauberes Wasser und ausreichende sanitare Anlagen - Fragen, die oft vernachlassigt werden, die jedoch im taglichen Leben der Armen von grogler Bedeutung sind. Wir treiben die Tagesordnung zu globalen Umweltfragen voran im Rahmen der Globalen Umweltfazilitat (Global Environment Facility), der weltweiten Kohlendioxid-Initiative und einer neuen Partnerschaft mit dem World Wildlife Fund zum Schutz der Walder weltweit. Der Privatsektor. Wir profitieren von der Synergie zwischen der Bank, der IFC und der Multilateralen Investitions-Garantie- Agentur (MIGA) und koordinieren unsere Tatigkeiten, so dai3 wir unseren Klienten verbesserte Dienstleistungen am selben "Schalter" anbieten konnen. Innerhalb der gesamten Weltbankgruppe verstarken wir unsere Bemuihungen bei den regulativen, gesetzgeberischen und juris- tischen Reformen, die die Voraussetzungen schaffen, inlan- dische und auslandische Investitionen zu mobilisieren. Wir bedienen uns der Garantien der Internationalen Bank fur Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD), um politische Transformationen zu unterstiltzen und zur Risikomilderung. Auglerdem erweitern wir das Produktangebot der Internationalen Entwicklungsorganisation (IDA), um den armen Landern zu helfen und ihren Privatsektor zu entwickeln, damit sie gleichberechtigte Teilnehmer an der globalen Wirtschafts- gemeinde werden. Die IFC arbeitet in 110 Landern und in mehr Bereichen als je zuvor. Auch setzt sie mehr Finanzprodukte ein: Im vergan- genen Jahr wurden 6,7 Milliarden US-$ fur insgesamt 276 Projekte bewilligt, wovon 3,4 Milliarden US-$ durch Syndikatsbildungen und Versicherungsgeschafte von anderen Finanzinstitutionen gestellt wurden. Das IFC-Programm zur 22 Erfassung einer grbfleren Zielgruppe ("Extending the Reach Program") zielt auf dreiunddreilgig Lander und Regionen ab, die bisher wenige Investitionen aus dem Privatsektor zu ver- buchen hatten. Auch hier hat man es sich zum Ziel gesetzt, vermehrt marginalisierte Wirtschaftssysteme in den weltweiten Markt miteinzubeziehen. Auch MIGA spielt eine grdlgere Rolle. Im vergangenen Jahr konnte sie eine Rekordhohe von siebzig Garantievertragen verzeichnen, dies fur Projekte in insgesamt fuinfundzwanzig Entwicklungslandern, darunter befanden sich elf Lander, in denen MIGA erstmals tatig wurde. Der Finanzsektor. Dieser Punkt geriet angesichts jiungster Ereignisse in Ostasien in die Schlagzeilen. Auch hier verstarken wir unsere Bemuihungen bei der Zusammenarbeit mit dem IWF und der regionalen Entwicklungshilfe aus dem einfachen Grund, weil es vor allem die Armen sind, die leiden, wenn der Finanzsektor in Schwierigkeiten gerat und der Zugang zu Krediten versiegt, wenn Menschen arbeitslos werden oder wenn der 6ffentliche Sektor Budgets und Dienstleistungen kulrzen mug, um Verluste zu decken. Aber ein effektiver Finanzsektor muS im voraus planen und darf nicht erst bei Krisenausbruch neue Maflnahmen ankuindi- gen oder Finanzpakete hastig zusammenstellen. Aus diesem Grund erweitern wir unsere Bankkapazitaten und ergreifen Veranderungsmaf3nahmen, die der Entwicklung des Finanzsektor dienen - nicht nur fur Lander mit mittlerem Pro- Kopf-Einkommen, sondern auch fulr Lander mit niedrigem Pro- Kopf-Einkommen., wobei dies die grolere Aufgabe ist. Fulr die Lander, in denen die drei Milliarden der armsten Menschen zuhause sind, bleibt die IDA das wesentliche Instrument mit dem sich das Konzept der Miteinbeziehung realisieren lal3t. Ich werde mich wieder an Sie wenden, wenn es um ihre Unterstuitzung geht fulr die zwdlfte Satzung der IDA. 23 SCHLUSSBEMERKUNGEN ch glaube, dae3 wir auBerordentliche Fortschritte gemacht haben. Ich bin iuberzeugt, daf wir den Herausforderungen des neuen Jahrtausends gewachsen sind. Das Jahr 1997 wurde von vielen bedeutsamen Errungenschaften gekennzeichnet. Wir miissen diesen Fortschritt weiter vorantreiben. Wir muissen sicher sein, dag wir auch im nachsten Jahr unsere gesteckten Ziele erreichen, daB wir die "Projekt-Pipeline" starken, daf Ressourcen unverziuglich dorthin gelangen, wo sie am ndtigsten gebraucht werden. Und wir miissen unseren vor kurzem erstellten Bericht uber Kosteffektivitat in die Tat umsetzen. Aber es ist auch an der Zeit, wieder zu unserem Traum zuruick- zukehren, dem Traum einer alles miteinbeziehenden Entwicklung. Wir befinden uns an einem einmaligen Zeitpunkt in der Geschichte, wenn wir die Moglichkeit haben, aus dem Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Heute sehen wir einen noch nie dagewesenen Konsens beziuglich der Vorausetzungen, die fur nachhaltiges Wachstum und die Verringerung der Armut notwendig sind. Heute konnen wir die wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhange zwischen den Entwicklungs- und Industrielandern eindeutig darlegen. Heute sehen wir in eine Zukunft, die unsere Kinder dazu verdammt, in einer ver- schmutzten und unsicheren Welt zu leben, es sei denn, wir beginnen jetzt zu handeln. Was wir heute brauchen sind klare Zielsetzungen und den Mut, die Arbeit jetzt anzupacken. Als Entwicklungsgemeinschaft sehen wir uns einer schwierigen Entscheidung gegenuibergestellt. Wir konnen fortfahren wie bisher und uns um ein unterhalb der Armutsgrenze liegendes Projekt hier oder dort kiimmern. 24 Wir kbnnen fortfahren wie bisher und internationale Ubereinkuinfte abschliegen, die wir dann ignorieren. Wir kdn- nen fortfahren, uns um Befugnisbereiche zu streiten und daruiber, wer die moralischeren Ziele verfolgt. Oder wir treten fur Veranderung ein. Aber um das tun zu konnen, mrissen wir von unserem Tellerrand aufblicken. Wir mrissen Partnerschaften bilden, um unseren Einflul zu maximieren und unsere knappen Ressourcen besser einzusetzen. Und wir miissen unsere Krafte dort einsetzen, wo sie die grdl3ten Erfolgsaussichten haben. Wir bei der Weltbankgruppe sind bereit, unseren Teil dazu beizutragen. Aber wir allein konnen diese Ziele nicht verwirk- lichen. Nur wenn wir zusammenarbeiten, konnen wir eine wirkliche Veranderung herbeifiihren. Nur wenn in Sitzungssalen, in Ministerien und auf Marktplatzen weltweit erkannt wird, dai ohne die Integration aller letztlich kein nach- haltiger Aufschwung gewahrleistet werden kann, nur dann werden wir unser Ziel erreichen. Lassen Sie mich noch einmal in das brasilianische Armutsviertel zuriickkehren, wo ich begann und wo die Familien soviel Hoffnung zeigen. Was ich den Gesichtern dieser Frauen dort ansah, habe ich auch den Gesichtern der Frauen in Indien angesehen, als sie mir ihren Pall als Sparbuch zeigten. Ich habe es den Gesichtern der Hohlenbewohner in China angesehen, denen neues, fruchtbares Land angeboten wurde. Ich habe es den Gesichtern der Dorfbewohner in Uganda ange- sehen, die ihre Kinder erstmals auf die Schule schickten und die dank landlicher Entwicklungshilfe erstmals einen privaten Gewinn erzielten. Die Augen dieser Menschen strahlen keine Hoffnungslosigkeit 25 aus. Sie strahlen Stolz, SelbstbewuBtsein und das Gefuihl des Miteinbezogenseins aus. Dies sind Menschen mit einem Sinn fur sich selbst, mit einem Sinn fulr Tradition und mit einem Sinn fflr ihre Familien. Was sie wirklich brauchen, ist eine Chance. Jeder einzelne von uns hier im Saal ist personlich dafuir verant- wortlich, dali sie diese Chance bekommen. Wir kdnnen es schaffen. Unseren Kindern zuliebe miissen wir es schaffen. Zusammen werden wir es schaffen. Design Studio Grafik IB 1635