21321 D E R AU F BAU E I N E R FA I R E N W E LT James D. Wolfensohn Präsident der Weltbankgruppe Ansprache zu den Jahrestagungen Prag, Tschechische Republik 26. September 2000 Prag, Tschechische Republik, 2000 I ch freue mich sehr, Sie zu den Jahrestagungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank begrüßen zu dürfen. Ich heiße insbesondere die Delegation aus San Marino, dem jüngsten Mitgliedsland der Bank, willkommen. Ich möchte dem Vorsitzenden, Trevor Manuel, für seine Unterstützung und für seine beeindruckende Rede danken. Er hat in seinem Wirken eine seltene Kombination von Führungsqualitäten sowohl im Kampf um die Freiheit selbst als auch durch wohl fundiertes Wirtschaftsmanagement nach dem Erreichen der Freiheit demonstriert. Ich möchte mich ebenfalls bei den Gouverneuren und bei dem Exekutivdirektorium für ihre Partnerschaft in der Arbeit der Bank bedanken. Zusätzlich darf ich meine Bewunderung für all das, was Michel Camdessus während seiner Jahre an der Spitze des IWF erreicht hat, ausdrücken und ihm für seine Freundschaft und enge Zusammenarbeit danken.Ich hoffe auf eine ähnlich enge Zusammenarbeit mit Horst Köhler und glaube, dass wir bereits einen ausgezeichneten Beginn gemacht haben. Auch freue ich mich auf die von Horst erwähnte gemeinsame Afrikareise. Zusätzlich möchte ich besonders unterstreichen, dass ich mich voll und ganz Horsts Bemerkungen betreffend unser gemeinschaftliches Verständnis der komplementären Rollen von Bank und Fonds anschließe. Bessere Lebensqualität und weniger Armut durch nachhaltiges und faires Wachstum ist unser gemeinsames Ziel. Im Rahmen dieses gemeinschaftlichen Vorhabens besteht das Kernmandat der Bank darin, die Armut zu mildern, indem sie den institutionellen, strukturellen und sozialen Dimensionen der Entwicklung besondere Beachtung schenkt. Dadurch ergänzt die Bank den makröokonomischen Schwerpunkt des Fonds, der die Förderung und Aufrechterhaltung der internationalen Finanzstabilität zum Ziel hat. Ich möchte betonen, wie sehr diese beiden Zielsetzungen miteinander verflochten sind. Falls es uns nicht gelingt, 3 Der Aufbau einer fairen Welt fehlerhafte Strukturen und soziale Spannungen, welche die makroökonomische Stabilität unterminieren, zu konfrontieren, werden die Armen die ersten Opfer sein. Gleichzeitig muss der Schutz der Armen unsere wichtigste Priorität sein, während wir fiskalisches Verantwortungsbewußtsein anstreben. Ich möchte hiermit auch der Tschechischen Republik sowie den Menschen und Behörden der Stadt Prag für ihre Gastgeberrolle bei den Jahrestagungen danken. Unter schwierigen Umständen haben sie Wunderbares geleistet. Ich danke Präsident Václav Havel, der in einmaliger Weise in seiner Person und seiner Stimme die Hoffnungen und Träume einer ganzen Generation symbolisiert. Die von ihm heute an uns gerichteten Worte stellen eine wahrhafte Inspiration dar, und wir werden lange seines Aufrufs zur Erneuerung unserer Werte gedenken. Die Tschechische Republik hat selbst die dem Übergangsprozess innewohnenden Schmerzen und Schwierigkeiten erlebt. Sie spielte jedoch eine Pionierrolle und bleibt konsequent bei ihrem Vorsatz, die für faires Wachstum notwendigen Institutionen, Marktstrukturen und Verwaltungsführung zu schaffen. Die Tatsache, dass wir uns hier in Prag, im Herzen Europas, versammeln, symbolisiert ebenfalls die große Bedeutung der europäischen Integrationsbewegung. Ich habe nunmehr zum sechsten Mal die Ehre, als Präsident der Weltbank vor Ihnen zu stehen. Dies ist die erste Ansprache meiner zweiten Amtsperiode als Präsident. In den vergangenen fünf Jahren bereisten meine Frau Elaine und ich über 100 Länder, und ich habe dabei vieles gelernt. Von den Frauen in den Favelas Rio de Janeiros, die an einem sich selbst tragenden Gemeindeprogramm für Wasserzufuhr und Abwasserversorgung teilnahmen, habe ich gelernt, dass Entwicklung nicht mit Almosen, sondern vielmehr mit Einbeziehung und Bemächtigung zu tun hat. Von einem Shrimp Farmer im Delta des Mekongflusses, der seinen Lebensunterhalt durch den Umweltabbau der Mangroven 4 Prag, Tschechische Republik, 2000 verlor, lernte ich, dass schwere Arbeit vergeblich sein kann, wenn es uns nicht gelingt, die Probleme des Umweltschutzes zu bewältigen. Auf einer meiner allerersten Weltbankreisen lernte ich von einem mohammedanischen Religionsführer in Côte d`Ivoire, dass wenig zur Armutslinderung beigetragen wird, wenn man den Armen mit einer Hand Geld gibt, und es ihnen mit der anderen wieder wegnimmt, indem man sie dazu zwingt, den gleichen Betrag für Schulden zurückzuzahlen. Diese einfache Lektion wurde zur Grundlage für die Schaffung der HIPC Initiative. Aber in allererster Linie habe ich unsere gemeinsame Menschlichkeit verstehen gelernt. Arme Menschen wollen für ihre Kinder genau das gleiche, was wir alle, die wir hier versammelt sind, für unsere Kinder wollen ­ Ausbildung, Gesundheit, Sicherheit und Chancen. Sie möchten Mitbestimmung, keine milden Gaben. Sie möchten die Möglichkeit, sich ein besseres Leben zu schaffen; und sie wollen, dass ihre Menschenrechte respektiert werden. Wir alle sind hier, um uns für diese gemeinsame Menschlichkeit einzusetzen und, in erster Linie, um den Kampf gegen die Armut mit leidenschaftlicher Überzeugung zu führen. Leidenschaft ist jedoch nicht genug, um Armut zu überwinden. Wir müssen handeln, und zwar tatkräftig. Und wir müssen eine langfristige Verpflichtung eingehen. Ich glaube, dass uns die fundamentalen Veränderungen der letzten zehn Jahre, trotz aller Herausforderungen und Schwierigkeiten, eine echte Möglichkeit für dramatische Fortschritte im Kampf gegen die Armut bieten. Diese Gelegenheit liegt jetzt vor uns, und wir müssen sie ergreifen. Es ist uns gelungen, nicht nur unser Verständnis der Natur der Armut, sondern auch der Art und Weise, wie faire Entwicklung geschaffen werden kann, zu vertiefen. Wir führen Änderungen in unserer Institution und Geschäftsführung durch, um unsere Arbeit mit größerer Effizienz 5 Der Aufbau einer fairen Welt und Transparenz sowie größerem Verantwortungsbewußtsein durchzuführen. Nur wenn wir alle ­ Entwicklungsländer und Industrieländer, internationale Institutionen, die Zivilgesellschaft in allen ihren Formen sowie der Privatsektor - gemeinsam vorgehen, werden uns Fortschritte im Kampf gegen die Armut gelingen. In dieser unserer Partnerschaft müssen wir alle unsere Kräfte gemeinschaftlich im Kampf gegen die Armut einsetzen. In dieser unserer Partnerschaft müssen wir einen neuen Internationalismus, der einer globalisierten Weltwirtschaft entspricht, schaffen. Draußen auf den Straßen, vor unserem Gebäude, demonstrieren junge Menschen gegen die Globalisierung. Ich bin fest davon überzeugt, dass viele von ihnen berechtigte Fragen stellen, und ich begrüße den Willen einer neuen Generation, die Armut zu bekämpfen. Ich teile ihre leidenschaftliche Überzeugung und ihre Fragen. Wir alle müssen eine Menge lernen, aber ich glaube auch, dass wir nur dann Fortschritte erzielen können, wenn wir in konstruktiver und respektvoller Weise miteinander verhandeln. In diesem Zusammenhang bin ich Präsident Havel sehr dankbar für die Organisation eines kürzlich hier in Prag abgehaltenen Kolloquiums für Dialog. Die Welt am Beginn eines neuen Jahrtausends Wir befinden uns am Beginn eines neuen Jahrtausends und am Ende eines Jahrzehnts, in dem die Globalisierung rapide Fortschritte machte. Dies ist der rechte Zeitpunkt, um uns darüber Rechenschaft abzulegen, wo wir einmal waren und an welchem Punkt wir heute angelangt sind, und um ein visionäres Konzept für die Zukunft zu bieten. Dies ist eine Zeit großer Chancen, aber auch ungeheurer Herausforderungen. Wir müssen Globalisierung als eine Chance betrachten, und Armutsbeseitigung als unsere Herausforderung. Was aber meinen wir mit ,,Globalisierung"? 6 Prag, Tschechische Republik, 2000 Globalisierung bedeutet, daß es auf der Welt immer mehr wechselseitige Abhängigkeit und Querverbindungen gibt. Sie bedeutet internationalen Handel, internationale Investitionen und Finanzen, die weitaus schneller als nationale Einkommen wachsen, so dass unsere Volkswirtschaften immer enger integriert werden. Gleichzeitig bedeutet Globalisierung aber auch internationale Finanzkrisen: Wie wir in der Krise Ostasiens gesehen haben, kann die Instabilität eines Landes Auswirkungen für uns alle haben. Ferner ist sie mit Technologien assoziiert, die bereits unsere Kommunikationsfähigkeit in einer bis vor wenigen Jahren unvorstellbaren Art beeinflußt haben. Sie bedeutet aber auch Krankheiten, und ich denke hier besonders an HIV/AIDS, Malaria und Tuberkulose, sowie Gewalt, Bedrohungen und Terrorismus, welche Nationalgrenzen nicht mehr respektieren. Globalisierung bedeutet neue Gelegenheiten für Arbeiter in allen Ländern, in Jobs, die durch größere wirtschaftliche Integration geschaffen werden, ihr Potenzial zu erhöhen und ihre Familien zu unterstützen Gleichzeitig bedeutet sie auch, dass Arbeiter in Industrieländern davor bangen, ihre Jobs an Länder mit niedrigeren Arbeitskosten und beschränkten Arbeiterrechten zu verlieren. Sie bedeutet, dass Arbeiter in Entwicklungsländern sich darüber Sorgen machen, dass Entscheidungen, die ihre Leben betreffen, weit weg in den Hauptquartieren internationaler Korporationen getroffen werden. Kurz gesagt, bedeutet Globalisierung sowohl Risiken als auch Chancen. Auf nationaler Ebene müssen wir diesen Risiken durch das Management von Anpassungsprozessen und die Stärkung sozialer, struktureller und finanzieller Systeme begegnen. Auf globaler Ebene müssen wir eine stärkere internationale 7 Der Aufbau einer fairen Welt Finanzarchitektur schaffen. Wir müssen Krankheiten bekämpfen, den Umweltabbau rückgängig machen und Kommunikation dafür einsetzen, den Stimmlosen eine Stimme zu verleihen. Wir können Globalisierung nicht mehr rückgängig machen. Unsere Herausforderung ist vielmehr, sie zu einem Instrument der Schaffung von Gelegenheiten und Einbeziehung von Menschen zu machen, - und nicht zu einem Instrument der Angst und Unsicherheit. Das vergangene Jahrzehnt bedeutete jedoch nicht nur eine Beschleunigung der Globalisierung, sondern auch echte Fortschritte in der Qualität der politischen Grundsätze in Entwicklungsländern. Weltweit besuchen mehr Kinder Grund- und Sekundärschulen. In vielen Ländern leben Menschen länger, weniger Säuglinge sterben vor Erreichung des Kindheitsalters, und mehr Mütter bleiben am Leben für ihre Kinder. Im Bereich der Wirtschaftspolitik erfolgte eine Senkung der Inflation, eine Liberalisierung der Märkte sowie ein starker Anstieg der Investitionen. Die Konjunkturaussichten für die nächsten Jahre sind vielversprechend; ein Anstieg der pro-Kopf-Einkommen in Entwicklungsländern von mehr als 3,5 Prozent ist erwartet. Dies würde die höchste nachhaltige Wachstumsrate seit Jahrzehnten sowie ein schnelleres Wachstum als in den entwickelten Ländern bedeuten. Eine Reihe von Menschen in den Entwicklungsländern profitieren in der Tat von einer Kombination von verbesserten politischen Grundsätzen und den positiven Auswirkungen der Globalisierung. Aber für allzuviele Menschen bleibt dieses optimistische Bild nach wie vor eine Fata Morgana. In allzuvielen Ländern hat der Bevölkerungsanstieg die erzielten pro- Kopf Gewinne im Einkommen wettgemacht. In allzuvielen Ländern hat HIV/AIDS die erhöhte Lebenserwartung zunichte gemacht und unermessliches Leid und Härten bewirkt. In 8 Prag, Tschechische Republik, 2000 allzuvielen Ländern haben Waffen, Kriege und Konflikte die Früchte der Entwicklungsarbeit vernichtet. Aber auch aus globaler Sicht können wir uns keineswegs Selbstzufriedenheit gestatten, besonders nicht angesichts der Unbeständigkeit von Erdöl- und anderen Rohstoffpreisen und der heftigen Wechselkursschwankungen. Wir leben in einer Welt, die von Ungerechtigkeiten entstellt ist. Es ist offenkundig, dass irgend etwas nicht stimmt, wenn die reichsten 20 Prozent der Weltbevölkerung über 80 Prozent des gesamten Welteinkommens erhalten. Irgend etwas stimmt nicht, wenn 10 Prozent der Bevölkerung beinahe die Hälfte des Volkseinkommens erhält ­ wie dies in allzuvielen Ländern heute der Fall ist. Irgend etwas stimmt nicht, wenn das Durchschnittseinkommen der 20 reichsten Länder 37 Mal so groß ist wie das Durchschnittseinkommen der 20 ärmsten Länder ­ eine Kluft, die sich in den vergangenen 40 Jahren mehr als verdoppelt hat. Irgend etwas stimmt nicht, wenn 1,2 Milliarden Menschen nach wie vor mit weniger als einem Dollar, und 2,8 Millionen Menschen mit weniger als 2 Dollar pro Tag, auskommen müssen. Herr Vorsitzender, angesichts all der Kräfte, die am Werk sind, um die Welt kleiner zu machen, ist es an der Zeit, dass auch wir unsere Denkweise ändern. Es ist an der Zeit, dass wir uns klar machen, dass wir gemeinsam auf einer Welt und nicht in zwei Welten leben. Diese Armut herrscht in unserer Gemeinschaft, wo auch immer wir leben mögen. Sie ist unsere Verantwortung. Es ist an der Zeit, dass politische Entscheidungsträger diese Verpflichtung erkennen. Es steht ungemein viel auf dem Spiel. Die Konflikte, von denen die Entwicklung so lange negativ beeinflußt worden ist, sind nicht ganz einfach geschichtliche Zufälle. Die Wahrscheinlichkeit der Entstehung von Konflikten ist in Ländern, die von tiefer Armut und Abhängigkeit von Primärrohstoffen geprägt sind, bedeutend höher. Gewaltverbrechen treten mit höherer Wahrscheinlichkeit in Ländern mit großer Einkommensungleichheit auf. Die Faktoren, die heute für Einzelgesellschaften zutreffen, werden sich in der globalisierten Welt in immer höherem Ausmaß im Sinne von internationalen Konflikten und Terror bewahrheiten. 9 Der Aufbau einer fairen Welt Der Kampf gegen die Armut ist der Kampf für Weltfrieden und Sicherheit. Was haben wir darüber gelernt, die man die Armut bekämpfen kann? Angesichts der bestehenden Herausforderungen müssen wir gemeinsam vorgehen und gleichzeitig von dem aus der Erfahrung Gelernten profitieren. Was haben wir gelernt? Wir haben gelernt, dass Armut über unzureichendes Einkommen oder sogar unzulängliche menschliche Entwicklung hinausgeht. Armut bedeutet auch, dass Menschen weder Stimmrecht noch Vertretung haben, dass sie Missbrauch und Korruption ausgesetzt sind. Sie bedeutet Gewalttätigkeit gegen Frauen und Angst vor Verbrechen, sowie mangelndes Selbstvertrauen.. Wie wir aus Gesprächen mit über 60.000 armen Menschen in 60 Ländern erfahren haben, ist Armut gleichbedeutend mit einem Mangel an fundamentaler Handlungsfreiheit, Wahlmöglichkeit und Chancengleichheit. Wir haben weiters gelernt, dass Markt orientierte Reformen Wirtschaftswachstum für die Armen bringen können, falls sie mit sozialer und institutioneller Entwicklung kombiniert werden. Wir haben gelernt, dass Wirtschaftswachstum der machtvollste Faktor in einer nachhaltigen Reduzierung der Armut ist. Trotz seiner zentralen Bedeutung ist Wachstum allein jedoch nicht genug. Falls wir ernstlich darum bemüht sind, Ungerechtigkeit zu bekämpfen, so müssen wir den Armen auch beim Ausbau ihres Kapitals, einschließlich Ausbildung, Gesundheit und Landbesitz, helfen. Wir müssen Infrastruktur und Wissen an arme städtische und ländliche Gebiete herantragen. Wir müssen tief eingesessene Ungerechtigkeiten konfrontieren und die Kluft zwischen den Geschlechtern und zwischen Gruppen mit unterschiedlichem ethnischem, sozialem und rassischem Hintergrund überbrücken. Wir müssen die Armen vor den Auswirkungen verfehlter Ernten und Naturkatastrophen schützen, vor Verbrechen und Konflikten, vor Krankheit und Arbeitslosigkeit. 10 Prag, Tschechische Republik, 2000 Entwicklung muß umfassend sein. Sie muß Ausbildung und Gesundheit, aber auch gute Führungs- und Kontrollstrukturen, den Kampf gegen Korruption, Rechts- und Gerichtsreformen sowie Reformen des Finanzsektors einschließen. Zusätzlich muß Entwicklung Infrastruktur und Umweltschutz sowie eine gut fundierte Wirtschaftspolitik mit einbeziehen. Alle diese Aspekte hängen von einander ab und verstärken einander. Wir haben gelernt ­ und dies ist von grundlegender Bedeutung ­ dass Entwicklung nicht von oben herab diktiert werden kann. Es gibt keine allgemeingültige Planskizze für Entwicklung; - sie muß sozusagen ,,hausgemacht" sein. Ohne einen umfassenden Ansatz, der in jedem Land jeweils entwickelt und angenommen wird, ist es uns nicht möglich, diejenige Art von Entwicklung zu erreichen, die für eine friedliche und gerechte Welt von lebenswichtiger Bedeutung ist. Wir sind im Begriff, das Gelernte anzuwenden. In Anbetracht der Wichtigkeit eines umfassenden Ansatzes lancierten wir vor über einem Jahr das sogenannte ,,Comprehensive Development Framework" (,,Das umfassende Rahmenwerk für Entwicklung"). Das holistische, langfristige und von den Ländern selbst angenommene CDF Rahmenwerk wird in einem Dutzend verschiedener Ländern implementiert. Gemeinsam mit dem IWF begannen wir im vergangenen Jahr damit, unsere Partnerländer in ihrer Arbeit an Strategien der Armutsminderung zu unterstützen. Diese Strategien sind von den Ländern selbst bestimmt und konzentrieren sich auf die Armut. Unser umfassendes Rahmenwerk und die Strategien zur Reduzierung der Armut verkörpern einen Entwicklungsansatz, der zusehends starke Anerkennung in der Entwicklungsgemeinschaft findet. Wir müssen uns jedoch drüber im klaren sein, daß Partizipation ein Hauptaspekt ist, der den gesamten Ansatz beeinflußt. Partizipation liefert beeindruckende Resultate in sowohl Projekten als auch Programmen und kann den Sozialkonsens 11 Der Aufbau einer fairen Welt schaffen, der die Grundlage für soziale Änderungen und Reformen bildet. Sie ist ein Teil der Freiheit. Und wo könnte man besser die grundlegende Wichtigkeit der Partizipation betonen als in Prag, der Heimat der Samtrevolution? Wo könnte man besser die Bestätigung dessen liefern, was arme Menschen auf der ganzen Welt laut ihren eigenen Aussagen anstreben ­ Freiheit, Partizipation und Mitbestimmung in der Schaffung eines besseren Lebens? Partizipation nimmt viele Formen an und bringt Ergebnisse. So zum Beispiel in Bangladesch, wo wir Nicht- Regierungsorganisationen in einem Programm von Kleinkrediten, das über 5 Millionen von armen Menschen, 90 Prozent davon Frauen, zugute kommt, unterstützen. In Uganda, wo wir Darlehen mit Eigenbeteiligung an Gemeindegruppen vergaben, mit dem Resultat, dass sowohl Schulbesuch als auch die Benützung von Gesundheitseinrichtungen dramatisch anstiegen . In Indien, wo eine Vertiefung der Demokratie auch in den kleinsten Orten zu Fortschritten in der Partizipation führte. Reformbestreben haben die Vertretung von Frauen in örtlichen Beratungsgruppen wesentlich erhöht. Mit der Unterstützung und unter der Führung der Regierungen unserer Mitgliedsländer arbeiten wir mit Gemeinden, Lokalbehörden, dem Privatsektor und der Zivilgesellschaft an der Unterstützung der lokal bedingten Entwicklung.. In Indonesien entwickeln über 2000 Dörfer und Gemeindegruppen ihre eigenen Vorschläge für Ansuchen um lokale Finanzierung. In Benin arbeiten Frauen gemeinsam am Schutz der Wälder, indem sie in Quellen des Einkommens anstelle von Brennstoffquellen umgewandelt werden sollen. 12 Prag, Tschechische Republik, 2000 Auf nationaler Ebene helfen wir beim Aufbau starker Institutionen, um zu garantieren, dass auch die Armen an ihrer Volkswirtschaft und Gesellschaft teilnehmen und von ihr profitieren können. Wir müssen dafür sorgen, dass staatliche Institutionen größeres Interesse für die Armen bezeugen. Gleichzeitig müssen wir uns auch darüber im klaren sein, dass in allzu vielen Ländern der Kampf gegen die Armut gleichbedeutend ist mit dem Kampf gegen die persönlichen Interessen von Wirtschaftseliten, welche die Politik, Verordnungen und Gesetze des Staates in unangebrachter Weise beeinflussen. Falls wir diesen umfassenden Ansatz verwenden und in Gemeinschaftsarbeit mit Regierungen vorgehen, falls uns diese Partizipation, diese Gerechtigkeit und diese Einbeziehung gelingt, dann werden wir eine Demokratisierung der Entwicklung erreicht haben. Die Informations- und Kommunikationsrevolution Wir haben heute ein einzigartiges Mittel zur Verfügung, das die Miteinbeziehung aller Menschen in einem Maßstab, den wir uns vor noch einigen Jahren nicht hätten träumen lassen, ermöglicht. Die Informations- und Kommunikationsrevolution wird das Konzept der Entwicklung, wie wir es verstehen, transformieren. Diese Revolution verspricht eine historische Gelegenheit für die Umgestaltung der globalen Wirtschaft, und zwar durch breit gestreuten und fairen Zugang zu Wissen und Information; durch größere Ermächtigung von Menschen und den Einbezug lokaler Gemeinden; durch Wirtschaftswachstum, Arbeitsplätze und besseren Zugang zu Grunddienstleistungen. Während der vergangenen fünf Jahre haben wir uns somit auf die Frage konzentriert, wie wir die Macht der Information, der Kommunikationstechnologie und des Wissens in den Dienst der Entwicklungsarbeit stellen können. Gemeinsam mit Regierungen fördern wir durch unsere analytische und Beratungsarbeit sowie durch unsere Zuschuß- 13 Der Aufbau einer fairen Welt Fazilität infoDev die Bereitschaft von sowohl politischen und Kontrollstrukturen als auch von Netzwerken. Via die Telekommunikationssysteme unseres sogenannten ,,Globalen Lernnetzes für Entwicklungsarbeit" (,,the Global Development Learning Network"), das nicht nur Training zur Verfügung stellt, sondern auch eine ausgedehnte Lerngemeinde schafft, führen wir weltweit führende Persönlichkeiten im Bereich der Entwicklungsarbeit zusammen. Durch unser Programm, das sich ,,Weltverbindungen im Dienst der Entwicklung" (,,World Links for Development") nennt, bringen wir Schüler und Lehrer in Sekundärschulen in Entwicklungsländern mit ihren Kollegen in Industrieländern in Verbindung. Wir verwenden Informations- und Kommunikationstechnologie, um eine ,,Universität ohne Wände" zu schaffen und den Ländern im Afrika südlich der Sahara direkten Zugang zur globalen akademischen Fakultät und Lernmitteln durch die sogenannte ,,Virtuelle Universität Afrikas" (,,the African Virtual University") zu ermöglichen. Mit Hilfe des sogenannten ,,Globalen Tors der Entwicklung" (,,the Global Development Gateway") und des ,,Globalen Lernnetzes für Entwicklungsarbeit", unterstützen wir die Schöpfung von und allgemeine Anteilnahme an Wissensgut. Weiters fördern wir Netzwerke von Wissen, globale Forschung sowie ausübende Gemeinden von Entwicklung, die von der Basis ausgehen. Schließlich entwickeln wir viele praktische Anwendungsmöglichkeiten, die weltweit dazu verwendet werden, armen Gemeinden Wissen in ihrer Lokalsprache zu vermitteln, um Gemeinden aufzubauen, Geschäftsgelegenheiten zu schaffen, um bei medizinischer Behandlung zu helfen und Menschen miteinander und mit der Welt in Verbindung zu bringen. Die Informations- und Kommunikationsrevolution bietet uns eine einmalige Gelegenheit, Ermächtigung und Partizipation von Menschen zur Wirklichkeit werden zu lassen. 14 Prag, Tschechische Republik, 2000 Die Armen der Welt verlangen nach Taten. Im Nachgang zu unserer Studie ,,Stimmen der Armen" (,,Voices of the Poor") traten mehrere Gruppen mit dem Ersuchen an uns heran, ihr Verlangen nach verbessertem Zugang zu Information und Kommunikationstechnologie als eine vorrangige Priorität zu behandeln. Wir müssen darauf hinarbeiten, dass eines Tages ein Dorfältester oder ein aspirierender Student durch das Internet, durch Distanzlernen, durch tragbare Telefone und durch aufziehbare Radios Zugang zur gleichen Information wie ein Finanzminister haben kann. Kommunikationstechnologie gibt uns die Mittel für echte Partizipation. Das bedeutet Chancengleichheit und echte Fairneß. Eine Bank mit Resultaten Während ihrer gesamten Geschichte hat sich die Bank immer wieder an die Veränderungen im externen Umfeld angepaßt ­ angefangen von der Rekonstruktion, die dem Ende des Zweiten Weltkriegs folgte, bis zu den Herausforderungen der globalen Entwicklung. Dieser Änderungsprozess setzt auch heute fort. Gestatten Sie mir, dass ich Ihnen ein wenig darüber berichte, was wir in den vergangenen fünf Jahren getan haben, um auf den enormen Leistungen meiner Vorgänger und der soliden Basis der Vergangenheit weiter zu bauen. In den vergangenen fünf Jahren konzentrierten wir uns mit unseren Ausleihungen weiterhin auf die Sozialsektoren wie z. B. Gesundheitswesen, Ausbildung und Ernährung, die heute ein Viertel unseres gesamten Portfolios ausmachen. Vor fünf Jahren waren unsere Ausleihungen für den weltweiten Kampf gegen HIV/AIDS geringfügig. Zum heutigen Zeitpunkt haben wir Zusagen von ca. einer Milliarde US $ abgegeben, einschließlich von 500 Millionen US $, die kürzlich für einschlägige Programme in Afrika zur Verfügung gestellt wurden. Vor fünf Jahren hatten wir noch kein Engagement in Aktivitäten im Zusammenhang mit Wiederaufbau nach Konflikten. Heute sind wir in über 35 Ländern engagiert. Vor fünf Jahren hatten wir 15 Der Aufbau einer fairen Welt noch nicht an die HIPC Initiative gedacht - heute haben wir bereits Schulderleichterung für 10 Länder gebilligt und, wie von Horst soeben erwähnt, tun wir unser äußerstes, um bis Jahresende weitere 20 Länder zu erreichen. Vor fünf Jahren hatten wir noch keine Programme gegen Korruption ­ in den vergangen fünf Jahren waren wir an über 600 Aktivitäten beteiligt, welche die Bekämpfung der Korruption bezweckten. Vor fünf Jahren war unser Hauptaugenmerk noch darauf gerichtet, der natürlichen Umgebung keinen Schaden zuzufügen. Heute beträgt unser Portfolio für Umweltschutz, das unter anderem Initiativen für Klimawechsel und biologische Artenvielfalt enthält, 15 Milliarden US $. In Gemeinschaftsarbeit mit Regierungen versuchen wir, Führungs- und Kontrollstrukturen sowie das allgemeine Investitionsklima zu verbessern. Wir arbeiten am Aufbau solider Aufsichtssysteme, so dass der Privatsektor besser dazu imstande ist, in effizienter Weise zum Aufbau der Infrastruktur beizutragen. Die Internationale Finanz-Corporation trägt durch ihre innovativen Projekte und ein wachsendes Portfolio dazu bei, die Möglichkeiten für Investitionen zu erweitern. So auch die Multilaterale Investitionsgarantie-Agentur (MIGA),wo eine Steigerung der Garantiedeckungen, die vor fünf Jahren 600 Millionen US $ betrugen, auf über anderthalb Milliarden US $ zum heutigen Zeitpunkt, erfolgte. Wir haben uns auf Resultate konzentriert und sie auch erzielt. Es gibt jedoch Leute, die behaupten, dass wir mehr versprechen als wir leisten. Im Jahre 1995 sagte ich, dass wir uns in eine ,,Wissensbank" verwandeln würden, und wir haben große Fortschritte erzielt. Im Jahre 1996 sagte ich, dass wir das ,,Krebsgeschwür der Korruption" bekämpfen würden, und heute sind wir eine der führenden Kräfte in diesem Kampf. Im Jahre 1997 betonte ich die ,,Herausforderung der Einbeziehung", und wir arbeiten intensiver denn je daran, die Schwächsten und Verletzlichsten vom Rande der Gesellschaft weg in den Mittelpunkt zu bringen. Im Jahre 1998 betonte ich die 16 Prag, Tschechische Republik, 2000 Notwendigkeit des Gleichgewichts zwischen grundlegendem Wirtschaftswachstum und sozialen und institutionellen Aspekten der Entwicklung und verlangte nach einem Umfassenden Rahmenwerk der Entwicklung (Comprehensive Development Framework). Seitdem haben wir diesen Ansatz sowie Strategien zur Reduzierung der Armut eingeführt. Und im Jahre 1999 sprach ich von der Wichtigkeit der Führungs- und Kontrollstrukturen, der Befähigungsförderung und der Partnerschaft mit anderen, und wir arbeiten tagtäglich an diesen Themen und erzielen hervorragende Resultate. Wir sind dauernd bestrebt, die Qualität unserer Programme zu verbessern. Während der vergangenen fünf Jahre hat der Anteil von Ausleihungen mit Resultaten, die vom unabhängigen Bewertungsdienst der Bank als zufriedenstellend oder besser eingestuft wurden, bedeutend zugenommen. Vor fünf Jahren befanden sich 34 Prozent unserer Projekte in der Risikozone. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist diese Zahl auf 15 Prozent gefallen.Wir sind näher an unsere Kunden herangekommen. Gegenwärtig sind 2.300 Mitarbeiter sowie die Hälfte der Länderdirektoren im Feld tätig. Unsere Aktivitäten zeichnen sich durch größere Transparenz aus: Gegenwärtig werden über 85 Prozent unserer Länderhilfsstrategien bekanntgemacht - vor fünf Jahren waren es noch Null Prozent. Wir sind eine neue Bank, die anders an Entwicklungsarbeit herangeht. Haben wir unser Ziel schon erreicht? Die Antwort ist nein. Wir haben jedoch mehr als die Hälfte eines umfassenden Reformprogramms absolviert und werden uns in den nächsten fünf Jahren noch mehr auf die Implementierung desselben konzentrieren. Wir sind dazu bereit und fähig, die Verantwortung für die Durchführung der sozialen und strukturellen Agenda zu übernehmen, indem wir gemeinsam mit dem IWF die Programme der verschiedenen Länder unterstützen. Wir arbeiten mit unseren Kollegen im Verband der Vereinten Nationen sowie in den anderen multilateralen Entwicklungsbanken zusammen, um größere Selektivität und Arbeitsteilung zu erzielen. Wir arbeiten mit Regierungen zusammen, indem wir ihnen helfen, ihre eigenen politischen Grundsätze und Institutionen zu fördern, statt einfach unsere Projekte durchzuführen. 17 Der Aufbau einer fairen Welt All das verlangt nach zusätzlichen Änderungen in unserer Geschäftsstrategie - weniger Mikro-Management und mehr Zusammenarbeit mit Regierungen, um ihnen bei der Erstellung eines allgemeinen Rahmenwerks behilflich zu sein. Wir werden weiter an den Auflagen festhalten, sie jedoch rationalisieren, indem wir uns auf grundlegende Prinzipien konzentrieren. Wir werden Länderhilfsstrategien mit voller landeseigener Unterstützung durch Programmdarlehen fördern, welche die Unterstützung seitens der Geber mit regierungseigenen Haushalts- und politischen Zyklen in Einklang bringen. Zu diesem Zweck führen wir den sogenannten Unterstützungskredit für Armutsminderung (Poverty Reduction Support Credit) ein. Wir werden in bezug auf sowohl Projekte als auch Programme Flexibilität ausüben, indem wir auf die spezifischen Bedürfnisse von Ländern eingehen. Auch werden wir nach innovativen Methoden zur Unterstützung regionaler Programme durch Beratung, Finanzierung und Zuschüsse suchen. Wir werden mit unseren Entwicklungspartnern daran arbeiten, unsere Beschaffungsprozesse, sowie den Standard für Umweltaspekte und Berichterstattung zu harmonisieren und koordinieren, um dadurch die administrative Belastung unserer Kunden zu reduzieren. Wir glauben, dass dieser Weg zu schnellerer, flexiblerer und wirksamerer Implementierung führen wird. Ich möchte ebenfalls betonen, dass wir unsere Arbeit an der Armutsbekämpfung in Ländern mit mittlerem Einkommen nicht nur fortsetzen, sondern sogar vertiefen werden. Wir können die Tatsache nicht ignorieren, dass eine Milliarde von Menschen, die mit weniger als 2 US $ pro Tag auskommen müssen, in Ländern mit mittlerem Einkommen leben. Wir werden uns weiterhin bestreben, sowohl Geldmittel als auch Wissen zur Arbeit an Ausbildung, Gesundheit und Sozialschutz in armen Gemeinden beizutragen. 18 Prag, Tschechische Republik, 2000 Wir werden die zwischen unseren Krediten und unseren anderen Dienstleistungen bestehende Synergie weiter ausbauen, da diese von grundlegender Bedeutung für die Förderung von Reformen ist. Wir werden unsere Zusammenarbeit mit nationalen und regionalen Behörden fortsetzen, um ein besseres Investitionsklima und Arbeitsplätze zu schaffen, die von fundamentaler Bedeutung für die Minderung der Armut sind. Im Laufe der Zeit wird sich der Zugang zu den Märkten verstärken. Wir können diese Länder ganz einfach nicht dazu anhalten, sich für die Finanzierung ihres Kampfs gegen die Armut auf unbeständige Kapitalmärkte zu verlassen. Unsere Partnerschaft muss von einem langfristigen, soliden Engagement in guten und in schlechten Zeiten sowie von einer Konzentration auf das Thema der Armut gekennzeichnet sein. Es handelt sich um ein anspruchsvolles Programm, und unsere Budgetressourcen sind sehr knapp. Ich möchte diese Gelegenheit ergreifen, dem Management und den Mitarbeitern der Weltbank meinen tiefen Dank für ihre unverminderte Hingabe, ihren Professionalismus und ihre harte Arbeit während dieser schwierigen Übergangsperiode aussprechen. Meiner Überzeugung nach sind sie das engagierteste und talentierteste Entwicklungsteam der Welt, und ich möchte ihnen und ihren Familien meine volle Anerkennung ausdrücken. Es erfüllt mich mit großem Stolz, mit diesem Team zusammenzuarbeiten. Der Weg nach vorne: Verantwortung und Gelegenheit Ich habe soeben von Chancen gesprochen, von Sicherheit und von der Ermächtigung von Menschen. Ich habe Partizipation, Transparenz und Verantwortlichkeit erwähnt. Wie steht es jedoch um die Verantwortung? Vor zwei Jahren veröffentlichten wir eine Studie über die Wirksamkeit von Entwicklungshilfe. Die Resultate waren klar. Länder mit guten politischen Grundsätzen machen guten Gebrauch von Entwicklungshilfe. In Ländern mit unzulänglichen politischen Grundsätzen ist Entwicklungshilfe vergeudet. Immer mehr Länder führen politische Grundsätze, die ein solides Wachstum unterstützen, ein. Immer mehr Länder schneiden gut ab. 19 Der Aufbau einer fairen Welt Entwicklungsländer tragen in steigendem Ausmaß ihren Teil bei. Wie steht es jedoch um die entwickelte Welt? Etliche Länder schultern ihre Verantwortung in bewundernswerter Weise, wofür wir ihnen ganz besonders dankbar sind. Viele aber scheuen sie. Meiner Meinung nach müssen wir uns auf mehrere Prioritäten konzentrieren, während wir den Weg nach vorne verfolgen. Erstens fallen viele entwickelte Länder unter die international anerkannten Ziele für Entwicklungshilfe. Sie müssen ihre Beiträge erhöhen. Zweitens müssen entwickelte Länder die Ressourcen für tiefere, schnellere und breiter angelegte Schulderleichterung bereitstellen. Falls wir mit der HIPC Initiative rasch vorankommen wollen, müssen wir uns auf die Beiträge der reichen Länder verlassen. Diese Initiative darf nicht durch verminderte oder teurere Unterstützung von anderen Ländern mit niedrigem Einkommen oder Ländern mit mittlerem Einkommen finanziert werden. Drittens müssen entwickelte Länder ihre Handelshemmnisse gegenüber den armen Ländern beseitigen. Laut unseren Schätzungen betragen die jährlichen Totalkosten der Handelshemmnisse der Industrieländer mehr als das doppelte der gesamten Entwicklungshilfe. Viertens müssen wir innovative Instrumente ausfindig machen, inklusive Zuschüsse für dringliche Probleme wie beispielsweise HIV/AIDS, die Bedrohung der Umwelt, Grundschulung und Gesundheitsvorsorge. In der Weltbank müssen wir unsere Fazilität für Entwicklungszuschüsse weiter ausbauen. Fünftens müssen multilaterale und bilaterale Geber nahtlos zusammenarbeiten, um ihre Arbeitsvorgänge zu rationalisieren und die Geschäftskosten zu senken. Und schließlich müssen wir einsehen, dass es mehr und mehr Probleme gibt, deren Lösung ein Vorgehen auf globaler Ebene erfordert. Wir müssen gemeinschaftlich handeln. 20 Prag, Tschechische Republik, 2000 Die Zeit ist reif. Nie zuvor war die Budgetsituation der reichen Länder besser als heute. Die Technologie war noch nie zuvor in einem solch dynamischen Stadium. Wachstumsaussichten waren noch nie so gut wie heute. Das öffentliche Vorgehen aller Länder muss von einer neuen Verpflichtung zu Armutsminderung bestimmt werden. Bevölkerungswachstum stellt eine große Herausforderung dar; im Laufe der nächsten 25 Jahre, wird die gegenwärtige Weltbevölkerung von 6 Milliarden um grob geschätzt weitere 2 Milliarden anwachsen. Der Großteil dieses Wachstums wird in den Entwicklungsländern erfolgen. In 25 Jahren wird die Bevölkerung Europas ungefähr auf ihrem heutigen Stand sein, während sich die Bevölkerung der Entwicklungsländer von ungefähr fünf auf fast sieben Milliarden erhöhen wird. Ohne eine ernstgemeinte Verpflichtung für Entwicklung wird die Flutwelle von Entbehrungen, Verzweiflung und unerfüllten Bedürfnissen nicht aufzuhalten sein. Ohne sie wird es uns nicht gelingen, eine faire Welt zu schaffen, und Frieden und Stabilität für unsere Kinder zu sichern. Wir alle, die wir heute hier sind, wissen, dass wir mehr tun können und müssen. Wir stehen vor einer Gelegenheit von historischer Tragweite. Diese neue Welt, unser größeres Verständnis, eine weisere Entwicklungsgemeinschaft und sich ändernde internationale Institutionen bedeuten, dass wir, indem wir die Entwicklungsarbeit gemeinsam anders angehen und den Menschen ohne Stimme Mitbestimmung geben, jetzt eine Chance haben, im nächsten Jahrzehnt echte Ergebnisse im Kampf gegen die Armut zu erzielen. Die Gelegenheiten und Versprechen einer globalen Wirtschaft, des Informationszeitalters, der Technologien, die Leben retten und Produktivität erhöhen können, sie alle liegen vor uns, und wir müssen sie ergreifen. 21 Der Aufbau einer fairen Welt Wir müssen zusammenarbeiten, um die Vorteile der Globalisierung dazu einzusetzen, Wohlstand für die breiten Massen und nicht nur einige wenige zu schaffen. Es handelt sich hier um mehr als nur ein neues Wirtschaftsprogramm. Es handelt sich um eine Verpflichtung ­ eine Verpflichtung, die in gemeinsamen moralischen und sozialen Werten und Menschenrechten wurzelt. Darüber hinaus ist sie eine Verpflichtung, die auch auf aufgeklärtem Selbstinteresse beruht. Es ist die Verpflichtung, der nächsten Generation eine bessere Welt, die von Gerechtigkeit, Frieden und Sicherheit geprägt ist, zu hinterlassen. 22 Der Aufbau einer fairen Welt 24 Prag, Tschechische Republik, 2000 25